Die Kunst des Übertritts

Auf der Überholspur wird es immer schneller. Uns rinnt die Zeit wie Sand zwischen den Fingern hindurch. Wir kleckern nicht, wir klotzen und trotzdem schaffen wir es nicht, all die Dinge zu schaffen, die wir uns vornehmen. Wir schauen permanent auf die Uhr, hetzen zur Bahn, zum Kindergarten, zur Schule, zur Arbeit. Nebenbei schauen wir ständig auf unser Handy, aus Angst etwas zu verpassen. Wir schreiben schnelle Nachrichten, verplanen uns die kommenden Wochen und merken Sonntags erst, dass wir es verpasst haben, am Wochenende einfach mal an uns zu denken und einen Gang zurückzuschalten. Ab und zu schafft es eine Erkältung, uns auszubremsen, aber oft bremsen wir sie aus und schleppen sie einfach ein paar Wochen mehr mit uns herum.
Und dann kommt dieser Moment in dem dein Kind ganz verunsichert vor dir steht und fragt, wie es das schaffen soll mit diesem Gymnasium. Denn schließlich gehen alle aufs Gymnasium. Ist es wirklich so? Ich habe Lulu in dieser Hinsicht nie Druck gemacht. Sie ist fleissig, aber hat auch Tage die sie frustrieren, an denen es einfach nicht so läuft. Tage an denen sie einfach in ihr Zimmer gehen möchte um zu malen. Um sich von der Lautstärke und dem Druck der Schule zu erholen. Lulu kann es noch, aber wird sie irgendwann auf der rechten Spur vor sich hintuckeln, während die anderen die mittlere Spur gleich auslassen und auf der Überholspur die Geschwindigkeit total überschreiten? Oder will sie womöglich doch irgendwann mitrasen?
Nehmen wir an, sie würde den Schnitt fürs Gymnasium schaffen. Gerade so… Soll sie den Weg wagen oder doch lieber eine gute Realschülerin werden, die Zeit für ihre Hobbies hat?
Wird ihr Weg leichter oder schwerer, wenn sie den einen oder den anderen nimmt? Selbst ich kann es ihr nicht beantworten. Hattet Ihr während Eurer Grundschulzeit Ängste einen bestimmten Notendurchschnitt nicht zu erreichen? Mit wieviel Angst seid ihr in die Proben gegangen? Ich kann mich an diese Ängste nicht erinnern.
Bis Ende April haben wir noch eine harte Zeit vor uns mit Proben und dem ständigen Notendurchschnittsrechner im Kopf. Mit Angst, die den kreativen Kopf blockiert. Lulus Papa und ich werden weiterhin versuchen ihr die Ängste zu nehmen oder sie zumindest ein wenig kleiner zu machen.
Und wenn Lulu ihren 10.Geburtstag feiert, kann sie den Stress und die Angst der vierten Klasse hinter sich lassen und ne wilde Party feiern… mit dem Notendurchschnitt, der sie DAS Leben leben lässt, das zu ihr passt… Vielleicht auf der mittleren Spur?